Direkt zum Inhalt | Direkt zur Navigation

gemeinsam – barrierefrei – selbstbestimmt

Sektionen

Annigna Command verabschiedet sich

Ende Juli 2021 wird sie pensioniert. Sie schaut zurück auf die vergangenen 16 Jahre.
Annigna Command verabschiedet sich

Annigna Command an ihrem Arbeitsplatz

Im August 2005 begann ich in der Behindertenseelsorge zu arbeiten. Erst als Sekretärin für die Gehörlosenseelsorge im Kanton Zürich, später kam noch die Gehörlosenseelsorge für den Kanton Aargau dazu. Dann durfte ich die Nachfolge der Sekretärin und Seelsorgehelferin Ruth Caponio übernehmen.
2005 geriet einiges in Bewegung. Der damalige Stellenleiter, Erich Jermann, war zu einer Weiterbildung in den USA und erlebte dort einen grossen Unterschied in der Grundhaltung gegenüber den Menschen mit Behinderung fest. Menschen mit Behinderungen gehören dort selbstverständlich zur Gesellschaft, nehmen ihre Rechte selbstbewusst wahr und beraten selber professionell Menschen mit Behinderungen. Sie sind die Experten in eigener Sache.
In den kommenden Jahren hat sich die Behindertenseelsorge (BSS) intensiv mit diesen zukunftsweisenden Entwicklungen auseinandergesetzt. Anders als in der Schweiz, wo noch die Exklusion (Ausschliessen, Ausgrenzen) die Grundhaltung war.

2005 fiel der Startschuss für eine Änderung der Haltung gegenüber Menschen mit Behinderungen.
2006 entstand eine neue, wichtige Akzentsetzung: die BSS arbeitet neu zusammen mit betroffenen Menschen daraufhin, dass diese in pfarreilichen Gremien Einsitz nehmen. Als Pfarreibeauftragte für Behindertenfragen sind sie eine wichtige Unterstützung in der Umsetzung der Strategie.
In diese Zeit fällt das Schlagwort Integration.

Es ersetzt den nicht mehr passenden Begriff der Exklusion. Das alte Logo - ein Bäumchen, welchem ein Ast fehlt - wird durch ein stilisiertes Kreuz ersetzt. Ein weiteres Zeichen nach aussen.
2008 zeigen sich die ersten Ergebnisse:

  • Die Pfarreibeauftragten für Behindertenfragen sind ein fester Bestandteil
  • Es entsteht eine neue Homepage – www. hindernisfreiepfarreien.ch
  • Die Grundgedanken der Selbstbestimmt Leben Bewegung werden aufgenommen
  • Die Broschüre «Hindernisfreies Bauen» wird an alle Pfarreien versandt
  • Es entstehen die ersten Gottesdienste zusammen mit den Pfarreien. So z.B. der ökumenische Segnungsgottesdienst in Wallisellen, gestaltet von gehörlosen Menschen und hörenden Gemeindemitgliedern.

2010 übernimmt Stefan Arnold die Stellenleitung. Es entsteht die Gruppe ja-SL. Ja, jetzt Alle – selbstbestimmt leben. Darin vertreten sind Gehörlose Menschen, Menschen mit Lernschwierigkeiten; blinde und sehbehinderte Menschen und Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen. Der Begriff Integration stimmt für den Weg, den die BSS bisher eingeschlagen hat, nicht mehr. Ab jetzt geht es um Inklusion.

Eine Projektmitarbeiterin beschrieb es folgendermassen:

"Die Zusammenarbeit zwischen Betroffenen und Nichtbetroffenen zeigt zunehmend, dass sich Grenzen öffnen und dass zuerst der Mensch wahrgenommen wird. Ein wichtiges Zwischenziel wurde erreicht."

2012 steht zum ersten Mal «gemeinsam- barrierefrei – selbstbestimmt»

als Claim für die Behindertenseelsorge. Es zeigt das Bestreben, dass die einzelnen Gruppen der BSS nicht nur unter sich bleiben, sondern dass jeder Mensch, mit oder ohne Behinderung, bei sämtlichen Anlässen dabei sein kann. Ein hoher Anspruch, der mit viel Aufwand verbunden ist. So braucht es z.B. für einen Anlass, der früher nur für die gehörlosen Menschen ausgeschrieben wurde, zusätzlich zu Gebärdensprach-Dolmetscherin neu sämtliche Unterlagen in Grossschrift und in Braille, alles muss barrierefrei, rollstuhlgängig sein, es braucht freiwillige Begleitpersonen. Höhepunkt von diesem Jahr war der Jubiläumsanlass «40 Jahre Kath. BSS». Geprägt war der Anlass von einem grossen Miteinander: Gebärdenchor, ein blinder Klavierspieler, ein Trompeter mit Lernschwierigkeiten, das Team der BSS, sie alle konnten ihre Talente einbringen.
Die Pfarreibeauftragten für Behindertenfragen erhalten einen neuen Namen, nämlich Inklusionsbeauftragte, ganz im Sinne der Strategie.
2013 führt die BSS die Mitenand Gottesdienste ein. Fünfmal im Jahr feiert die BSS in den Pfarreien zusammen mit der Gemeinde Gottesdienst.
Ein weiterer Schritt hin zu den Pfarreien ist der Mittagstisch. Menschen mit und ohne Behinderung essen regelmässig gemeinsam im barrierefreien Saal des Pfarreizentrums Guthirt zu Mittag.
2017 setzt die BSS ein weiteres Zeichen. Das neue Leitbild erscheint erstmals in Leichter Sprache. Das Jahresprogramm unterstützt diesen Prozess und erscheint ebenfalls in Leichter Sprache und ist neu gespickt mit Signeten, Piktogrammen.

Ebenfalls in diesem Jahr verschicken wir die neue Broschüre INKLUSION, Impulse für eine einladende Pfarrei. Sie stösst auf reges Interesse.
2019 wird das Ressort Pfarreiarbeit neu aufgeteilt. Das Angebot heisst Sensibilisieren - Begegnung ermöglichen. Auf Wunsch werden Pfarreien von unseren Experten und Expertinnen besucht. Experten meint da ganz im Sinne der Strategie: Betroffene Menschen als Experten und Expertinnen in eigener Sache. Die Teilnehmenden erhalten einen persönlichen Einblick in das Leben von Menschen mit Behinderungen, lernen deren Grenzen und Herausforderungen kennen.

Ich hoffe, mit dieser kurzen Zeitreise aufgezeigt zu haben, wie sich die Behindertenseelsorge verändert hat. Veränderungen immer mit dem Ziel, Menschen mit Behinderungen auf gleicher Augenhöhe zu begegnen, ihnen Raum zu gewähren, als Ermöglicherin aufzutreten.

Das hat nicht nur von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen viel abverlangt, sondern auch von den betroffenen Menschen. Es ist ihnen nicht immer leichtgefallen, mit den neuen Ausrichtungen mitzuhalten. Als kleines Beispiel: Für die Ausflüge mit den Gehörlosen wurde von der BSS alles fix fertig organisiert, inklusive Besorgung der Billette. Als ob gehörlose Menschen unfähig sind, selber Billette zu lösen. Die klare Umsetzung der Strategie stiess manchmal auf Unverständnis und Irritation, zugunsten der Eigenständigkeit ging damit doch auch ein Stück Umsorgtsein verloren.

Zurzeit mache ich eine Weiterbildung Sterbebegleitung. Dabei fiel zum Thema Spiritualität folgende Aussage: Spiritualität ist eine Haltung. Sie hat mit der Ganzheitlichkeit des Menschen, mit der Einheit von Körper, Seele und Geist zu tun. Etwas ganz Wesentliches, welches von der katholischen BSS immer bei allen Entscheidungen mit einbezogen wurde. Jede Umsetzung der Strategie wurde sorgsam geplant und der Mensch als Ganzes miteinbezogen. Bedürfnisse, Wünsche werden aufgenommen und im Rahmen des Möglichen wird ihnen Raum dafür gegeben.
Seit 2005 ist es ein Miteinander wachsen, passend zu unserem Jahresthema 2021.
Jede und jeder bekommt Raum. Miteinander leben wir Spiritualität, Solidarität, Gemeinschaft und Veränderung, wie es Stefan im Vorwort des Jahresprogrammes schreibt.
Und genau diese Haltung wünsche ich der BSS weiterhin.

Anngina Command